Pfarrchronik 1945-1948

Am 8. Mai wird der Akt über die bedingungslose Kapitulation in Berlin von Keitel, Friedsburg und Stumpf unterfertigt. Am selben Tage u. am folgenden Tage / 8.V./ wurde das deutsche Militär welches im Frontabschnitt von St. Pölten gesammelt war und in den einzelnen Dörfern lagerte, abgezogen. Es nahm den Weg gegen Amstetten. Bis 13 Uhr des 8.V. musste das ganze Gebiet vom deutschen Militär geräumt sein. Denn zur selben Stunde zogen die ersten russischen Panzerwägen durch den Ort. Erlauf wurde gleich allen anderen Orten ein russischer Lagerplatz. Vorige Woche zelebrierte hier um 13 Uhr ein slowakischer Feldkurat P.Georg Szilkey, SJ, aus der Dioz. Preßburg; erhatte seinen Standort in Sarling.

9. Mai: zelebrierte hier 11 Uhr der Kriegsgefangenenpriester Benjamin Lemaire aus der Diözese Soisson. Er kam von Loosdorf zugleich mit 5 anderen franz. Kriegsgefangenen und ging nach Amstetten. Sie mussten bis dorthin den Heimweg zu Fuß machen. Der Kriegsgefangenen Priester Eugene David aus der Diözese Vannes, welcher vor 1 Jahr in der Gärtnerei des H. Stangler arbeitete (sein Bruder gleichfalls Kriegsgefangener arbeitete bei H. Greß) hat schon Ende April Erlauf verlassen, da sämtliche hiesige franz. Kriegsgefangene nach Oberdonau angeführt wurden. David war ein eifriger Priester, welcher jeden Sonntag Vormittag in den umliegenden Lagern zelebrierte, nachmittags aber im hiesigen Lager zelebrierte, doch die Pfarrkirche durfte er nicht betreten.

16.VIII. Der Einmarsch der Russen am 8.V. wurde anfangs von der Bevölkerung gleichgültig hingenommen, doch schon in der folgenden Nacht und in den nächsten Wochen musste die Bevölkerung die sittliche Verkommenheit und die Rohheit des russischen, bolschewistischen Heeres (Offizier u. Mannschaften) erfahren.
Die russ. Soldaten drangen in die Häuser ein u. raubten u. plünderten, was "glänzt u. rennt." Sie raubten Gold und Silber, Schmuck u.Uhren, sie raubten Autos und Fahrräder und führten Bauern die Pferde aus den Ställen. Die gestohlenen Pferde u. Rinderherden weideten sie auf den Wiesen der Bauern.
Aber besonders in der ersten Nacht drangen die Russen in die Häuser u. suchten in tierischer Lust nach Frauen, und manche , welche nicht flüchten konnten wurden von ihnen vergewaltigt. In den nächsten Abenden zogen Mädchen und Jungfrauen gemeinsam in den Wald und suchten dort Schutz vor den russischen Bestien.
Leider erfüllte sich die Erwartung nicht, dass die Russen bald abziehen werden. Die Russen blieben und begannen den Raub von Lebensmitteln. Sie raubten und erpressten Eier, Fett, Milch, Most, Schnaps. Sie raubten auch Rinder und Schweine. Von den Lebensmitteln aber verzehrten sie kaum die Hälfte, das übrige wurde verwüstet und weggeworfen, ohne zu denken dass in Wien die Menschen an bitterem Hunger darben u. hinsterben; ebenso in anderen Städten. Besonders der Schnaps ist es, welcher die Russen zu gefährlichen Bestien macht. Dermalen ist Erlauf ziemlich frei von der Russenplage, aber die einzelnen stehenden Geschäfte sind noch immer von der Gewaltanwendung und Räuberei der Russen bedroht. Während in geschlossenen Ortschaften unbewaffnete Polizei ein wenig Schutz bietet, sind einzelne Geschäfte gänzlich schutzlos den Russen ausgeliefert.

 

Der Feind im Lande!

Das bitterste dabei, dass das Volk gänzlich wehrlos dem schwer bewaffneten Feinde gegenüber steht. Es fehlt ihm jede Verteidigungsmöglichkeit es fehlt auch der Schutz des Gesetzes.
Die erste Tätigkeit der Russen nach dem Einmarsch war die Suche nach Waffen. Doch hier werden sie kaum welche gefunden haben. Aber auch die Suche benützten sie zu Räubereien. Unter dem Treiben der Russen ist an einem wirtschaftlichen Aufbau nicht zu denken. Es stockt jede Arbeit. Die Geschäftsläden meist ohnehin schwer geplündert, sind geschlossen, die Handwerker halten ihr Werkzeug verborgen. Aus Städten hört man, dass die Fabriken der Maschinen beraubt werden. Von der Hitiag - Neuda hat man solches nicht gehört, doch ist sie mangels Rohmaterial- u. -stoffe fast zum Stillstand gekommen.

Das Postamt war längere Zeit geschlossen. Die Telefondrähte wurden von den Russen gestohlen. Der Bahnverkehr liegt ganz darnieder. Auf der Westbahnstrecke Wien - St. Valentin verkehren nur zwei Züge. Auf diesen herrscht lebensgefährliches Gedränge. Selbst auf den Waggondächern suchen Reisende Unterkunft. Wenn aber eine Abteilung Russen zusteigt, muss der ganze Waggon von den Einheimischen geräumt werden!!
Aber wo ist das Bahnmaterial hingekommen? Es scheint, daß Waggons und Lokomotive von den Russen gestohlen wurden. Die Folge des darniederliegenden Bahnverkehr ist die große Not in den Städten; diese bekommen vom Land keine Lebensmittel.

Seit 5.VIII. erscheint wieder das "Kleine Volksblatt" No.1. Aber leider steht es ganz unter russischem Diktat und darf die Wahrheit nicht schreiben.
Am 28.VIII. wütete ein orkanartiger Sturm u. richtete schweren Schaden am Kirchen- und Pfarrhausdache an. Auf letzterem wurde der ganze Firstgehoben und abgedeckt. Und leider keine Ziegeldecker ist zu finden, welcher diese notwendige Reparatur machen könnte.

Vidi 18.6.1946

Am 5.XI.1945 starb der hochw. H. Pfarrer von Erlauf, geistl. Rat Ludwig Schützner im Alter von 70 Jahren, im 48. Jahr seines Priestertums und im 41.Jahr seines Wirkens als Pfarrer in Erlauf. Er starb nach kurzem Kranksein. Beim letzten Sonntagsgottesdienst, den er hielt, musste man ihm einen Sessel hinstellen, auf den er sich aus Erschöpfung niederließ, um auszurasten; er konnte aber vor Schwäche die hl.Messe nicht beenden und es musste der hochw. H. Benefiziat von Pöchlarn hiezu hergerufen werden, es war für die Besucher der hl. Messe ein ergreifender Anblick, als der altersschwache Priester vom Altar weggeführt wurde.

Zur Führung der Seelsorge wurde der hochw. H. Kaplan von Wieselburg Edmund Warchol hieher geschickt, der auch nach dem Tode des Rates Schützner zum Provisor ernannt wurde.
Edmund Warchol ist ein Flüchtlingspriester aus der Slowakei, gehört der Diözese Volsohl an, ist 1939 geweiht und kam im Jahre 1944 mit dem Flüchtlingsstrom der dortigen, deutschen Bevölkerung, man hat für sie den Namen "Volksdeutsche" erfunden, nach Österreich. In der Österr. Ungar. Monarchie gab es nur Einwohner, dieser oder jener Sprache, nach deren Zerstörung wurden die Deutschen in den neuerrichteten Nationalstaaten als Volksdeutsche bezeichnet und als Minderheiten behandelt, als ob sie kein Recht auf ihre Heimat hätten, obwohl sie oft seit jeher oder durch Jahrhunderte dort gesessen, den Boden ehrlich kultiviert und erworben und bearbeitet hatten.

Die Deutschen aus der Slowakei flüchteten auf Antrieb der deutschen Wehrmacht, die sich vor den Russen zurückzog. Hr. Warchol wurde in die Seelsorge der Diözese St.Pölten übernommen und als 2. Kaplan in Wieselburg angestellt, wo er bis zu seiner Versetzung nach Erlauf wirkte.

Ende März 1947 wurde er vom Ordinariat in St.Pölten telefonisch gefragt, ob er nicht als Kaplan nach Heiligeneich gehen wolle, da der dortige Hr. Pfarrer schwer erkrankt war, er bejahte und so wurde die Versetzung durchgeführt. An seiner Stelle nahm Hochw. H. Franz Merth , bisher 2. Kaplan in Steinakirchen am Forst, auch ein Flüchtlingspriester u. zwar aus Südmähren stammend, Angehöriger der Diözese Brünn, geboren zu Zlabings im Jahre 1899, geweiht in Brünn 1924, war Pfarrer in Schiltern bei Znaim und Dechant des Frainer Dekanates, auch wurde er 1944 mit dem Brünner Konsistorialratstitel ausgezeichnet.

Da der Gottesdienst hier noch nach den alten Gebräuchen abgehalten wurde, so waren hier noch die alten Segensmessen im Brauche vor dem ausgesetzten Allerheiligsten mit Segen vor u. nach den hl. Messen, hat der neue Provisor den Gottesdienst an die Diözesanvorschriften angeglichen.

Da das Pfarrhaus vernachlässigt war, gab es hier viel herzurichten. Es wurden alle Räume mit Ausnahme des mittleren Zimmers neu ausgemalen. Die Arbeiten führte Malermeister Josef Kasparek aus Brunn um den Betrag von 457,20 S durch. Die Bewilligung für diese Ausgabe aus der Kirchenkasse wurde von dem hochwerten bischöfl. Ordinariat in St.Pölten erteilt.
Die Fensterflügel aller Fenster des mittleren und des Gastzimmers waren so schadhaft geworden, dass sie herauszufallen drohten und ein Fenster durch eine vorgenagelte Latte gesichert war. Sie mussten erneuert werden. Diese Arbeiten führte Tischlermeister Karl Haselberger aus Erlauf um den Preis von 1273,- S durch. Auch die Zahlung dieses Betrages aus der Kirchenkassa wurde von St.Pölten bewilligt.

Vidi 2.6.48

In der Kirche war kein Herd vorhanden. Der vorhandene war demoliert und ein kleiner eiserner Herd installiert . Dieser Zustand konnte auf die Dauer nicht so bleiben. Angeordnet wurde den Kachelherd
gänzlich zu entfernen, was auch geschah, und einen tragbaren Herd zu kaufen. Der Provisor bemühte sich einen solchen Herd aufzutreiben, bis nach Wien kam er auf seiner Suche, aber es war keiner zu bekommen. Da entschloß er sich, den abgetragenen Herd wieder aufstellen zu lassen, es mussten nur zur Ergänzung grüne Kacheln genommen werden, da blaue nicht genug vorhanden waren, sie stammten von einem demolierten Dauerbrandofen. Die Arbeit führte der Maurer Johann Siedl aus Erlauf Nr. 50 durch, das Werk bewährte sich. Der Herd kocht und backt gut und braucht wenig Brennmaterial. Herr Siedl erhielt für die Arbeit 50,- S.

Das Jahr 1947 war ein sehr trockenes Jahr. Eigentlich sind schon 3 dürre Jahre hintereinander, doch im Jahr 1947 machte sich die Dürre am ärgsten bemerkbar, es wurde wenig Futter und Stroh und da aus früheren Jahren keine Vorräte waren, wirkte sich der Futtermangel schlecht aus. In manchen Orten machte sich direkter Wassermangel bemerkbar. In der Donau war der Wasserstand so tief, dass die Pöchlarner Rollfähre lange Zeit nicht verkehren konnte.

Am 28.IX. hielt der Provisor eine Bittprozession um Regen auf dem Eichberg. Schmerzhafter Rosenkranz, oben Litanei zu allen Heiligen, das Lied "Strenger Richter" und nach der Rückkehr hl. Segen. Die Beteiligung war groß.

Die Schulverhältnisse waren unerfreulich, als der Chronist herkam. Die Schule ist dreiklassig, aber es war nur eine Lehrkraft da, nämlich die Lehrerin Marie Reitzl, gebürtig aus Landersdorf, Pf. Oberwölbling , 23 Jahre alt. Sie war mit Arbeit überladen, aber die Kinder hatten nur in der 2. u. 3. Klasse jeden 2. Tag Schule. Nur die 1. Klasse hatte täglich, nachmittags Schule. Jede Klasse hatte nur eine Religionsstunde.

Im Schulhaus wohnt Oberlehrer Konrad Kargruber, der aber als Pg. vom Schuldienst enthoben ist. Er übernahm die Oberlehrerstelle wieder nach seiner Reaktivierung im Schuljahr 1948/49.
Mit Beginn des Schuljahres 1947/48 wurde provisorisch angestellt Hr. Oberlehrer Wilhelm Rehberger. wohnhaft in Neumarkt, von wo er täglich, fast immer mit dem Rad, zum Unterricht herfuhr.Er verließ die Schule wieder im Schuljahr 1948/49, um die Oberlehrerstelle in Aggsbach-Dorf zu übernehmen.
Gegen Ende des Schuljahres kam als dritte Lehrkraft Herr Lehrer Josef Kleebinder, gebürtig von Loosdorf hierher, so dass der Lehrkörper vollständig wurde.

Vidi 9.5.49..........